Wertschöpfung

Nach 1850 hat die Landwirtschaft die Produktion intensiviert und rationalisiert. Die Erträge stiegen, die Nahrungsmittel-Preise sanken, die Natur litt. Seit 1990 ist die Ökologie Teil der Wertschöpfung unserer Landwirtschaft.

 

Wie Rentabilität Biodiversität verdrängt

Produktivitätssteigerung. Im 19. Jahrhundert ist in der Schweiz die Lebensmittelversorgung sicherer geworden: Das Wissen um ergiebigere Landbewirtschaftung (Düngung, Züchtung) stieg, Dampfmaschinen machten es möglich, Getreide kostengünstiger zu importieren. Die Bauern brachten grössere Ernten ein, gaben den Getreidebau an ungünstigen Lagen auf, spezialisierten sich. Mit zunehmender Mechanisierung stieg die Produktivität stark an. Immer weniger Bauern produzierten immer mehr Nahrungsmittel ... bis zum Überfluss und bis zu Überschüssen. Für uns Konsumentinnen und Konsumenten mit Vorteilen: Wir haben mehr als genug zu essen und arbeiten dafür im Durchschnitt weniger als einen Zehntel der Arbeitszeit.

 

Der Preis der Rentabilität. Um die Produktivität derart zu steigern, mussten die Bauern die Natur (und damit die Biodiversität) beschneiden: Hecken beseitigen, Einzelbäume fällen, Obstgärten roden, Wiesen drainieren oder bewässern, Fliessgewässer kanalisieren, Steinhaufen beseitigen, die Begleitflora als Unkraut bekämpfen, die Felder vergrössern. Die Natur litt und leidet aber ebenso durch unser aller Lebensstil, der einseitig die wirtschaftliche Wertschöpfung und den Konsum fördert. Die zunehmende Bautätigkeit verringert und zerstückelt natürliche Lebensräume und versiegeln den Boden. Schadstoffimmissionen belasten die Luft, das Wasser und damit die natürliche Pflanzen- und Tierwelt.

 

Markt und Ökologie. Ende des 20. Jahrhunderts ist die Erkenntnis verbreitet gewachsen, dass die Umwelt nicht nur leidet, sondern akut gefährdet ist. Daher hat die Bevölkerung, auch unter dem Eindruck der Überschuss-Produktion einzelner landwirtschaftlicher Produkte und unter dem Einfluss einer wachsenden Marktliberalisierung, einer Änderung der Agrarpolitik zugestimmt: Die einheimische Lebensmittelproduktion wird schrittweise dem freien Markt, dem Spiel von Angebot und Nachfrage überlassen. Um die Minderung der Preise für die Bauern etwas zu kompensieren, werden Direktzahlungen eingeführt, Direktzahlungsberechtigt ist nur, wer bestimmte ökologische Ziele erfüllt.

Ökoinseln

Schweizer Landwirte müssen 7 % ihres Landes als ökologische Ausgleichsflächen ausweisen: Magerwiesen, Hecken, Krautsäume, Buntbrachen, Obstgärten, Steinhaufen, .... Damit leisten sie ihren Beitrag an die Erhaltung der Biodiversität.

 

Wie wir der Biodiversität Inseln schaffen

Raum für die Artenvielfalt. 98 Prozent des Schweizer Landwirtschaftslandes wird nach den Normen für den ökologischen Leistungsnach-weis (ÖLN) bewirtschaftet. Nur Landwirte, die diese Normen erfüllen, haben Anrecht auf die Direktzahlungen des Bundes. Der ÖLN enthält Vorschriften zu einer boden- und naturschonenden Produktion und bestimmt, dass mindestens sieben Prozent der landwirtschaftlich genutzten Flächen ökologische Ausgleichsflächen sind, auf denen Wildpflanzen und Tiere Lebensraum finden. Ausgleichsflächen sind unter anderem:

  • Extensiv genutzte Wiesen und Weiden. Extensiv genutzte Wiesen und extensive Weiden werden nicht gedüngt und schonend genutzt. So können viele Pflanzen aussamen und sich vermehren. In qualitativ hochwertigen extensiv genutzten Wiesen gedeihen 40 bis 60 Pflanzenarten und ein entsprechend reiches Tierleben. Von jeder krauti-gen Pflanzenart sind ihrerseits 25 bis 50 Insektenarten abhängig.

  • Hecken. Wertvolle Hecken und Waldränder bestehen aus einheimischen Pflanzenarten, die zu verschie-denen Zeiten blühen und Früchte tragen. Insekten, Kröten, Fledermäuse, Vögel, Mäuse, Hermelin, Igel finden hier einen Lebens-, Vermehrungs- und Überwinterungsraum.

  • Buntbrachen. Buntbrachen werden in Äckern für zwei bis sechs Jahre ausgesät. Hier wachsen selten gewordene Ackerbegleitkräuter, zur Blütezeit eine Insekten- und eine Augenweide. Im Winter dann sind die abgestorbenen Pflanzen vielen Insekten, Vögeln und anderen Wildtieren Nahrungsquelle und Unterschlupf.

  • Krautsäume. Neu werden entlang von Äckern und Wiesen mindestens 5 Meter breite Krautsäume angesät, spezielle Mischungen mehrjähriger Kräuter. Diese Krautsäume sind auf Dauer angelegt, es werden weder Stickstoff noch Herbizide ausgebracht und jährlich wird nur ein Drittel der Fläche gemäht. So finden Insekten und andere Wildtiere Nahrung und einen sicheren Lebensraum.

Alarmzeichen

Die Biodiversität nimmt weiter ab. Im Berggebiet verschwinden artenreiche Wiesen, weil sie nicht mehr oder zu intensiv genutzt werden. Im Talgebiet sind viele Ökoinseln zu klein oder isoliert. Die Politik und die Bauern sind gefordert.

 

Was es für die Biodiversität braucht

Erfolge und Grenzen. Im Berggebiet der Schweiz sind heute 14 Prozent, im Talgebiet 9 Prozent des landwirtschaftlich genutzten Landes Ökoausgleichsflächen. Seit den 1990er Jahren wächst in der Schweizer Landwirtschaft das Wissen, wie man mit der Natur wirtschaftet. Der ökologische Wert der Ausgleichsflächen steigt, zum Beispiel indem manchenorts die Standorte bewusster gewählt, extensive Wiesen umgebrochen und mit Wiesenblumen neu angesät, Krautsäume auf Dauer angelegt werden. Und trotzdem: „Immer mehr Tier- und Pflanzenarten werden in der Schweiz selten oder sterben aus“, stellt die Naturschutzorganisation „Pro Natura“ fest.

 

Zersiedelung stoppen. Vor allem im Mittelland wird die freie Landschaft mit Industrie- und Wohnbauten und Verkehrswegen überbaut. Jährlich verschwinden in der Schweiz rund 40 Quadratkilometer Land unter Beton und Asphalt. Die Ökoinseln in der Schweiz werden kleinflächiger und isolierter. Für die biologische Vielfalt braucht es aber grosse, zusam-menhängende Landschaftsräume. Die Orts- und Regionalplanung ist gefordert ... und wir alle, indem wir (jede und jeder einzelne) bewusst den übermässigen Wohnraumbedarf und die Mobilitätssucht begrenzen.

 

Nutzungsansprüche koordinieren. Mit Landschaftsentwicklungskonzepten (LEK) koordiniert man regional die verschiedenen Nutzungs-ansprüche an die Landschaft – die Ansprüche der Land- und Waldwirtschaft, des Naturschutzes, des Verkehrs, des Siedlungsbaus und der Industrie. Im Interesse der Natur werden im Rahmen eines LEK Gewässer geschützt, Freiräume ausgeschieden, natürliche Räume und Elemente erhalten.

 

Ökoqualität und Vernetzung fördern. 2001 hat der Bund die Ökoqualitätsverordnung (ÖQV) in Kraft gesetzt. Ökologisch besonders wertvolle Wiesen, Hochstamm-Feldobstbäume und Hecken werden mit zusätzlichen Zahlungen honoriert. Die ÖQV fördert zudem die Vernetzung der ökologischen Ausgleichsflächen untereinander und mit natürlichen Landschaftselementen – mit Gewässern, Waldrändern, Hecken. Die Bauern sind gefordert, diese Massnahmen auf ihren Betrieben zu realisieren.